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Libanon-Coach Schweichler über Torwarttraining, WM-Quali & Fans

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Transfermarkt.de führte ein Interview mit unserem Towarttrainer Christian Schweichler.


Christian Schweichler (Foto) ist seit April 2012 Torwarttrainer der libanesischen Nationalmannschaft. Zuvor war der 33-Jährige mit Michael Krüger (ehemals Eintracht Braunschweig) im Sudan tätig. Schweichler sprach mit Sven Bauer über seine Arbeit und das Leben im Libanon, gewährt tiefe Einblicke ins professionelle Torwarttraining und verrät, was die Niederländer den Deutschen in Sachen Torhüter-Ausbildung voraus haben.


Transfermarkt.de: Herr Schweichler, Sie sind seit Mitte April 2012 Torwarttrainer des Libanon. Wie kam es dazu?

Christian Schweichler: Die libanesische Nationalmannschaft hat im letzten Jahr unter der Leitung von Trainer Theo Bücker ihren größten Erfolg gefeiert und steht in der finalen, asiatischen Qualifikationsrunde zur WM 2014. Der Verband möchte diesen Erfolg nachhaltig nutzen und sich auf allen Ebenen weiter professionalisieren. Dazu zählt insbesondere der Torwartbereich. So wurde ein Torwarttrainer mit Auslandserfahrung gesucht, der nicht nur die Torhüter der Nationalmannschaft trainiert, sondern auch über Erfahrungen im Aufbau einer Torwartakademie verfügt und Lehrtätigkeiten vorzuweisen hat. Bei dieser Suche empfahl mich Michael Krüger, mit dem ich in Afrika tätig war. Michael Krüger und Theo Bücker kennen sich als international tätige Trainer seit Jahren und tauschen sich regelmäßig aus.

Transfermarkt.de: Was hat Sie an der Aufgabe gereizt und was für Ziele verfolgen Sie im Libanon?

Christian Schweichler: Eine Nationalmannschaft zu trainieren ist immer reizvoll. Ein solches Angebot erhält man nicht alle Tage. Reizvoll ist zudem die Kombination aus Trainingsarbeit mit dem Team und konzeptioneller Arbeit für den Verband. In diesen beiden Schwerpunkten liegen auch meine persönlichen Ziele. Mit der Nationalmannschaft möchte ich selbstverständlich die Qualifikationsrunde so positiv wie möglich absolvieren. Zudem bin ich bestrebt, mit dem Aufbau der Torwartakademie Strukturen zu schaffen, die das Torwartspiel langfristig auf ein höheres Niveau heben.

Transfermarkt.de: Sie bilden ein Gespann mit den international sehr erfahrenen Trainern Theo Bücker und Peter Meindertsma. Wie läuft die Zusammenarbeit ab und wie wird Ihre Arbeit von der Mannschaft, aber auch vom Verband und den Fans bewertet?

Christian Schweichler: Die Zusammenarbeit läuft ausgesprochen positiv. Ich denke, die holländische Spielkultur, die Peter Meindertsma einbringt, das deutsche Torwartspiel, für das ich stehe und die enorme Erfahrung und Anerkennung von Theo Bücker im arabischen Fußball, sind gute Grundlagen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Theo Bücker ist zudem eine echte Persönlichkeit auf und neben dem Platz, von dem sich jeder junge Trainer etwas abschauen kann. Mannschaft und Fans achten und unterstützen unsere Arbeit. Sie genießen die letzten Erfolge und wollen jetzt den nächsten Schritt machen. Es gilt nun aber auch, geweckte Erwartungen und erforderliche Veränderungen in Einklang zu bringen und mit Geduld und Seriosität weiterzuarbeiten. Den Rahmen dafür zu schaffen, wird Aufgabe des Verbandes sein.

Transfermarkt.de: Verbringen Sie mittlerweile mehr Zeit im Libanon als in Deutschland?

Christian Schweichler: Mein Hauptwohnsitz ist Libanon. Umfang und Intensität meiner Tätigkeit würden überhaupt keine andere Möglichkeit zulassen. In der Hauptstadt Beirut finden Training und Spiele statt. Ich wohne in einem ruhigen Vorort und genieße dort in meiner Freizeit den Blick auf die Berge und das Meer sowie viele weitere Annehmlichkeiten.

Transfermarkt.de: Wie schätzen Sie das Niveau der Mannschaft und das der Torhüter ein?

Christian Schweichler: Mit Abbas Hassan steht ein Torwart im Kader, der in Europa seine Ausbildung genossen und bereits U21-Länderspiele für Schweden bestritten hat. Er ist eine feste Größe in seinem Verein in der höchsten schwedischen Liga und bringt alles mit, was einen guten Torwart ausmacht. Bei den übrigen libanesischen Torhütern steht auf Grund der Altersstruktur ein Generationswechsel an. Es gibt einzelne hoffnungsvolle Talente, die nun an das gewünschte Leistungsniveau herangeführt werden müssen.

Transfermarkt.de: Gibt es Spieler, die sich Ihrer Meinung nach in Deutschland durchsetzen könnten? Wenn ja, wer und in welcher Liga?

Christian Schweichler: Mit Roda Antar und Youssef Mohamad stehen zwei erfolgreiche, ehemalige Bundesligaspieler im Kader. Dazu kommen Spieler, die in Malaysia und den Vereinigten Arabischen Emiraten für Ihre Clubs am Ball sind. Sie sind Vorbilder für die jungen Spieler, von denen sicherlich einzelne in der Lage wären, sich in den obersten Ligen Deutschlands durchzusetzen. Durch die Erfolge der Nationalmannschaft machen die Spieler nun natürlich auf sich aufmerksam. 

Transfermarkt.de: Mit dem Libanon spielten Sie bis in der vierten Qualifikationsrunde des AFC-Verbandes. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?

Christian Schweichler: Das Erreichen der finalen Qualifikationsrunde ist für das Team und das gesamte Land ein großer Erfolg. Mit Tabellen- und Punktestand in dieser letzten Qualifikationsrunde können wir jedoch noch nicht zufrieden sein. In den ersten drei Spielen war mehr drin, als der bisher errungene Punkt. Individuelle Fehler und mangelnde Erfahrung haben ein besseres Abschneiden unserer jungen Mannschaft bisher verhindert. Jedes Spiel ist jedoch für das Team ein Lernprozess und bringt es nach vorne. Ich bin mir sicher, dass wir noch weitere Punkte sammeln werden. 

Transfermarkt.de: Wie sieht Ihr Fazit nach den ersten Monaten aus? Was läuft gut, wo gibt es noch Steigerungspotenzial?

Christian Schweichler: Die Mannschaft macht im Training und Spielen kontinuierlich Fortschritte. Jeder Einzelne muss begreifen und verinnerlichen, dass auf diesem internationalen Level oftmals nur Nuancen über Sieg und Niederlage entscheiden. Wer die Endrunde einer Weltmeisterschaft erreichen will, der muss seinem Sport alles unterordnen. Das gilt auf und insbesondere neben dem Platz. Hier ist sicherlich noch Steigerungspotenzial.

Transfermarkt.de: Sprechen wir kurz über die politischen Lage. Wie sieht diese derzeit im Libanon aus?

Christian Schweichler: Die Lage im Libanon ist stabil. Sollte sich an dieser Situation etwas ändern, werde ich frühzeitig und umgehend vom Verband und der deutschen Botschaft informiert. 

Transfermarkt.de: Bis zu Ihrem Engagement waren Sie zusammen mit Michael Krüger im Sudan aktiv. Wie kam es dazu?

Christian Schweichler: Ich wurde von Michael Krügers Berater kontaktiert. Dabei hatte ich das Glück, mit Udo Schräder und seiner Agentur StarKick einen lizenzierten und seriösen Partner an meiner Seite zu haben, dem ich gerade bei einem solchen Auslandsengagement voll vertrauen konnte. 

Transfermarkt.de: Mit Al Merreikh Omdurman qualifizierten Sie sich unter anderem für die afrikanische Champions League und gewannen den Landespokal. Wie verlief ihr Engagement? Konnten Sie die Entwicklung der Torhüter vorantreiben?

Christian Schweichler: Die Torwartausbildung in Afrika lässt leider noch immer zu wünschen übrig. Die ideale Ausführung torwartspezifischer Grundtechniken sowie ein taktisch optimal ausgerichtetes Positionsspiel, insbesondere in der Strafraumbeherrschung, stellt viele Torhüter vor große Probleme. Ein regelmäßiges, individuelles Torwarttraining auf qualitativ hochwertigem Niveau kann jedoch zu einer positiven Entwicklung auch in kurzer Zeit führen. Ich denke, die erzielten Erfolge und Leistungen der Torhüter bestätigen dies.

Transfermarkt.de: Wie darf man sich den Fußball im Sudan vorstellen, wo und wie oft wurde trainiert?

Christian Schweichler: Der afrikanische Fußball hat seine eigene Faszination. Das ist im Sudan nicht anders. Die Menschen leben mit und für ihre Clubs. Die beiden Topvereine Al Merreikh und Al Hilal sind professionell geführt und auch international erfolgreich. Ein, zwei Trainingseinheiten pro Tag sind die Regel. Allerdings finden diese oft auf Grund der hohen Temperaturen von bis zu 45 Grad in den Morgen- beziehungsweise Abendstunden im Stadion statt. 

Transfermarkt.de: Sie haben im Sudan gearbeitet und nun im Libanon. Wie unterscheidet sich das dortige Leben im Vergleich zu Deutschland?

Christian Schweichler: Die Menschen im Libanon sind weltoffen und pflegen einen westlichen Lebensstil. Speziell Beirut ist mit seinen vielen kulturellen und gastronomischen Angeboten ein Ort, der viele Menschen aus der Region anzieht. Klima und Landschaft sind weitere Pluspunkte, mit denen das Land glänzen kann. Ich kenne beispielsweise kaum einen anderen Ort auf der Welt, an dem man auf einem Berg Ski fahren und eine Stunde später im Meer baden gehen kann. Der Sudan ist äußerst stark vom Islam geprägt. Dies zieht sich durch sämtliche Lebensbereiche und wird von westlichen Besuchern oft als einschränkend empfunden. Die Familie steht im Mittelpunkt eines jeden Sudanesen, die ich als hilfsbereit, freundlich und humorvoll kennengelernt habe.

Transfermarkt.de: Wie kamen und kommen Sie mit der Mentalität der Menschen zurecht und welche Erkenntnisse konnten sie gewinnen?

Christian Schweichler: Die Sitten und Gebräuche in der arabischen Welt sind sehr speziell. Ich bin Gast in dieser Welt und verhalte mich dementsprechend. Wer mit den guten alten deutschen Tugenden aufgewachsen ist, der muss oft Geduld beweisen, lernt jedoch viel dazu und erkennt gelegentlich, dass auch andere Wege zum Ziel führen. Ein wichtiger Mensch in meinem Leben hat mir ein Zitat mit auf den Weg gegeben, das sich immer wieder bestätigt und dem nichts hinzuzufügen ist: „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.“

Transfermarkt.de: Wann entschiedenen Sie sich für den Job des Torwarttrainers?

Christian Schweichler: Ich habe mich bereits als aktiver Torwart für Trainingsgestaltung und Trainingsplanung interessiert. Zu Beginn meines Sportstudiums habe ich mich dann dazu entschlossen, mich auf die Tätigkeit des Torwarttrainers zu fokussieren.

Transfermarkt.de: Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil, seine eigene Philosophie. Wie sieht Ihre aus?

Christian Schweichler: Die besondere Stellung des Torwarts im Fußball macht ein regelmäßiges und systematisches Training unverzichtbar. Grundlage eines erfolgreichen Trainings ist ein sportliches Konzept mit Schwerpunkten und Leitlinien. Mein persönliches Konzept für ein erfolgreiches Torwart-Training basiert auf der aktuellen Spielphilosophie (mitspielender Torwart) des deutschen Fußballbundes, neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen, persönlichen Erfahrungen als Torwart sowie als Torwarttrainer im Junioren, Senioren, Amateur und Profifußball. Die Entwicklung und stetige Verbesserung torwartspezifischer Grundtechniken und Kondition sind für mich ebenso Schwerpunkte eines erfolgreichen Torwart-Trainings, wie eine zielgerichtete Taktik-Schulung und die Auseinandersetzung mit mentalen Anforderungen an das Torwartspiel. Von großer Bedeutung ist mir bei der Umsetzung von Schwerpunkten und Leitlinien im Torwart-Training, eine optimale Anpassung an die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse des Torhüters. 

Transfermarkt.de: Vor allem bei Torhütern ist man auch als Psychologe gefragt. Wie nehmen Sie den Spielern den Druck und die Angst vor Fehlern?

Christian Schweichler: Jeder Torwart hat seine Charakterzüge und geht mit diesem Thema anders um. So gilt es zunächst, sich auf jeden Torwart individuell einzustellen, um ihm passende Lösungsansätze bieten zu können. Grundsätzlich hilft es jedoch, mit vielen kleinen Mitteln das Selbstvertrauen des Torwarts immer weiter aufzubauen. Ein Mittel ist beispielsweise, stets Übungen und Trainingseinheiten mit einem positiven Erlebnis enden zu lassen.

Transfermarkt.de: Als Torwarttrainer haben Sie sowohl die Lizenz in den Niederlanden als auch beim niederrheinischen Fußballverband gemacht. Wie darf man sich das vorstellen, wie lange und was genau muss man dafür tun?

Christian Schweichler: In Deutschland habe ich einen der ersten Lehrgänge dieser Art absolviert. Der von den Verbandssportlehrern gut organisierte und durchgeführte einwöchige Lehrgang bestand aus theoretischen und praktischen Inhalten und schloss mit einer Lehrprobe ab. Begrüßenswert ist meiner Meinung nach eine noch intensivere Ausbildung, wie sie mit der neuen Torwarttrainerlizenz des DFB angestrebt wird. Die Torwarttrainerausbildung beim niederländischen Fußballverband ist wesentlich umfangreicher. Sie besteht aus einem Basiskurs und einem Aufbaukurs. Beide Kurse bestehen aus mehrwöchigen Lehrgängen, Praxis und Theorieeinheiten, Hospitationen bei Clubs und Abschlussprüfungen. Speziell die niederländische Torwartschule mit ihrem Schwerpunkt des „mitspielenden Torwarts“ gibt einem die Möglichkeit auf dem neuesten Stand des so genannten „modernen Torwartspiels“ zu sein und sich diesbezüglich weiterzubilden.

Transfermarkt.de: Was tun Sie, um sich weiterzubilden?

Christian Schweichler: Ich denke, der Austausch mit Torhütern, Trainerkollegen, Hospitationen und Spielanalysen ist hier ebenso hilfreich, wie die Sichtung von Fachmedien. Für wichtig halte ich auch die ständige Überprüfung, Anpassung und Weiterentwicklung eigenständig entwickelter Trainingsinhalte.

Transfermarkt.de: International haben Sie von sich reden machen können, nur in Deutschland haben Sie im bezahlten Fußball noch nicht gearbeitet…

Christian Schweichler: Ich habe mit 30 Jahren meinen ersten Trainerjob im professionellen Fußball angenommen. Dies ist ein sehr junges Alter für einen Trainer, insbesondere für einen Torwarttrainer. Da ich jedoch bereits seit zehn Jahren als Torwarttrainer tätig war, habe ich mich bewusst für diesen Schritt entschieden. Dass mich dieser Schritt ins Ausland und nicht zu einem Club in Deutschland geführt hat, war sicherlich nicht planbar.

Transfermarkt.de: Könnten Sie sich ein Engagement in Deutschland vorstellen? Welche Perspektive müsste man Ihnen bieten?

Christian Schweichler: Selbstverständlich könnte ich mir auch eine Tätigkeit in Deutschland vorstellen. Erste Anfragen diesbezüglich hat es bereits gegeben. Wenn man jedoch im Ausland um Meisterschaften und Titel spielt, sich international beweisen kann und dabei die Welt kennenlernt, müsste ein Engagement in Deutschland schon reizvoll sein, um zurückzukehren. 

Transfermarkt.de: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade auf dem Fußballplatz stehen?

Christian Schweichler: Ich betreibe in Deutschland noch eine Sportschule für Kinder und Jugendliche, die ich bereits während meines Studiums gegründet habe. Um die unternehmerischen und administrativen Aspekte kümmere ich mich, soweit es die Zeit zulässt, noch selbst. Zudem reise ich gerne und bin interessierter Beobachter von Land und Leuten. Mit einem guten Buch oder dem Notebook und einer schnellen Internetverbindung halte ich es aber auch auf der Couch aus.

Transfermarkt.de: Bitte erzählen Sie von einem Erlebnis aus Ihrem Fußballerleben.

Christian Schweichler: Bei meinem ersten Training in Afrika wies mich der Trainer daraufhin, dass mehr Zuschauer als in Deutschland das Training verfolgen würden und alle dem anstehenden Champions-League-Spiel entgegenfiebern würden. Dass jedoch gleich 10.000 Fans mit Pauken und Trompeten ein Training nur in Zeichensprache möglich machen würden, war dann doch etwas gewöhnungsbedürftig. Auch in den folgenden Tagen nahm die Zuschauerzahl und Stimmung beim Training nicht ab. Meine Begeisterung für den afrikanischen Fußball nahm mit diesem Erlebnis allerdings immer mehr zu…

Transfermarkt.de: Wir bedanken uns recht herzlich für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft.


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