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"Verkleiden? Lieber nicht!"


Youssef Mohamad liebt seine Wahlheimat Köln und den FC, aber mit dem Karneval hat der libanesische Spielführer nur wenig zu tun

Seit sechs Jahren spielt Youssef Mohamad, 30, schon in Deutschland, seit elf Monaten ist er Kapitän des 1. FC Köln. Mit einigen Gegebenheiten muss sich der Innenverteidiger aus dem Libanon aber erst noch zurechtfinden.

Welt am Sonntag: Unter den Kapitänen der Bundesliga zählen Sie zu den unbekannteren. Stört Sie das?

Youssef Mohamad: Überhaupt nicht. Ich bin stolz, Kapitän des 1. FC Köln zu sein - ein fantastischer Job.

Welt am Sonntag: Etliche Kölner Fans sähen trotzdem lieber Lukas Podolski als Anführer.

Youssef Mohamad: Damit habe ich kein Problem. Jeder hat eben seine eigene Meinung, und die gilt es zu akzeptieren.

Welt am Sonntag: Sie sehen sich also nicht als Platzhalter?

Youssef Mohamad: Überhaupt nicht. Als Frank Schaefer unser neuer Trainer geworden ist, habe ich ihn gefragt, ob er etwas ändern möchte. Ich hätte Verständnis dafür gehabt. Aber er wollte, dass ich Kapitän bleibe, weil ich einen positiven Einfluss auf die Mannschaft habe und mich jederzeit vor sie stelle.

Welt am Sonntag: Das erscheint derzeit auch nötig. Köln zeigt in dieser Saison oft zwei Gesichter auf dem Spielfeld.

Youssef Mohamad: Ja, wir wissen natürlich auch, dass wir nicht konstant sind. Allerdings wissen wir selbst nicht so genau, warum wir zum Beispiel gegen den HSV ganz stark spielen und dann eine Woche später gegen Nürnberg überhaupt nicht ins Spiel finden. Ich denke, es hat auch etwas damit zu tun, was hier im Umfeld passiert. Es herrscht eine Menge Unruhe rund um den FC. Präsident, Manager und Trainer stehen ständig im Fokus, und das erhöht dann auch den Druck auf die Spieler. Aber das soll jetzt keine Entschuldigung sein. Oft genug sind wir auch völlig unkonzentriert in die Spiele gegangen, haben schlecht angefangen und lagen schnell zurück - das ist uns in dieser Saison viel zu häufig passiert.

Welt am Sonntag: Sie selbst haben auch noch mit Problemen zu kämpfen und konnten an Ihre starken Leistungen aus der Vorsaison nicht permanent anknüpfen.

Youssef Mohamad: Der Start war für mich schwierig. Im ersten Saisonspiel gegen Kaiserslautern habe ich nach zwei Minuten die Rote Karte gesehen - eine harte Entscheidung des Schiedsrichters. Danach wurde ich drei Spiele gesperrt, das hat mich ein bisschen aus dem Rhythmus gebracht. Wenn du so einen Auftakt hast, dauert es eine Weile, wieder Anschluss zu finden.

Welt am Sonntag: Zum Kapitän wurden Sie im Winter von Zvonimir Soldo bestimmt. Waren Sie damals überrascht?

Youssef Mohamad: Nicht wirklich. Soldo hat mir schon vertraut, als noch Petit oder Novakovic bei uns Kapitän waren. Letztlich hat er sich dann in der Winterpause für mich entschieden, und das hat mich stolz gemacht. Er wusste, dass ich immer alles für den Klub gebe.

Welt am Sonntag: Worin unterscheiden sich Soldo und der neue Trainer Schaefer?

Youssef Mohamad: Eines möchte ich voranstellen: Soldo ist für mich ein richtig guter Trainer. Wenn jemand neu kommt, und es lief vorher nicht, dann muss man natürlich Dinge ändern. Das hat Frank Schaefer auch gemacht. Er weiß, wie er mit den Spielern reden muss, um sie aufzubauen. Es reicht ja nicht mehr, nur zum Training zu gehen und dann samstags zu spielen. Wir brauchten einiges an Aufbauarbeit. Und die Bilanz unter Frank Schaefer kann sich sehen lassen: Von fünf Spielen haben wir drei gewonnen.

Welt am Sonntag: Trotzdem stehen Sie noch auf einem Abstiegsrang. Haben Sie Angst vor dem Gang in die Zweite Liga?

Youssef Mohamad: Angst? Natürlich nicht! Aber jeder hat bei uns jetzt erkannt, dass wir in einer schlechten Situation sind. Wir haben viel gesprochen und wollen nur noch nach vorn schauen und nicht mehr darüber nachdenken, welche Chancen wir schon in dieser Saison vertan haben.

Welt am Sonntag: Mit einem Sieg gegen Wolfsburg könnte Köln erstmals seit Wochen die Abstiegsplätze verlassen.

Youssef Mohamad: Absolut, wenn wir so spielen wie in Stuttgart, haben wir auch gegen Wolfsburg eine gute Chance.

Welt am Sonntag: Sind Sie als Kapitän jemand, der angesichts der brenzligen Lage nach Verstärkungen im Winter ruft?

Youssef Mohamad: Nein, das ist Sache des Klubs. Und ich sage auch ehrlich: Ich vertraue unseren Spielern hier voll und ganz.

Welt am Sonntag: Das heißt, wenn Sie vor dem Spiel beten, bitten Sie nicht unbedingt um Beistand für einen Sieg?

Youssef Mohamad: Für mich ist es als Moslem normal, mehrmals am Tag zu beten. Vor den Spielen bitte ich Gott, mir und meinen Mitspielern zu helfen.

Welt am Sonntag: Als Moslem aus einem anderen Kulturkreis muss Ihnen die fünfte Jahreszeit in Köln, der Karneval, seltsam vorkommen.

Youssef Mohamad: Stimmt, damit habe ich wenig zu tun. Mir reicht es, wenn ich die Karnevalsumzüge im Fernsehen sehen kann - das ist wirklich lustig. Aber mich selbst verkleiden? Lieber nicht.

Welt am Sonntag: Ihr Vertrag läuft noch bis 2013, was kommt dann?

Youssef Mohamad: Ich würde sehr gern meine Karriere in Köln beenden. Ich liebe den Klub und die Leute hier, ich fühle mich wohl in Köln. Alle behandeln mich mit großem Respekt - das würde ich gern noch einige Jahre miterleben.

Welt am Sonntag: Und dann geht's zurück nach Beirut?

Youssef Mohamad: Ich werde wohl pendeln zwischen Köln und Beirut. Das mache ich jetzt auch schon. Wann immer ich ein paar Tage frei habe, fliege ich nach Beirut und besuche meine Familie dort.

Welt am Sonntag: Sie sind 2004 nach Deutschland gewechselt, wie kam es damals dazu?

Youssef Mohamad: Roda Antar hat mir ein Probetraining in Freiburg vermittelt. Normalerweise dauert eine Vorstellung bei einem neuen Klub zwei Wochen, aber schon nach dem zweiten Training hat der damalige Trainer Volker Finke gesagt, dass er mich gern haben will. Für mich war das ein großer und richtiger Schritt.

Welt am Sonntag: Ihre Nationalmannschaftskarriere hat der Wechsel aber nicht befeuert. Sie möchten nicht mehr für die libanesische Auswahl spielen.

Youssef Mohamad: Das ist eine betrübliche Sache. Mit dem Chef unseres Verbandes bin ich nicht mehr klargekommen. Er wollte nicht, dass ich als Kapitän kritische Dinge anspreche. Nach einem Spiel gegen Kuwait hat mir der Manager des Nationalteams dann gesagt, dass sie mich nicht mehr wollen. Später haben sie gefordert, dass ich mich in einem Brief entschuldige. Aber ich wollte das nicht, ich hatte keinen großen Fehler begangen. Das Ganze enttäuscht mich noch immer, denn ich würde gern wieder für mein Land spielen - aber nicht unter dieser Führung.

Welt am Sonntag: Das Gespräch führte Jens Bierschwale


Quelle: DIE WELT

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